Bis auf zwei Tore war der Außenseiter von der Insel dem Tabellenführer aus der Hansestadt zwischenzeitlich auf die Pelle gerückt. Die Überraschung blieb aus. Dennoch wurden mehr als 800 Handballfans auf Usedom gut unterhalten.
Ahlbeck. Niederlagen des Spitzenreiters gegen den Tabellenletzten kommen selten vor. Usedoms Vereinsvize Ernst-Peter Kaufmann hatte sich und den Seinen vor dem Match aus diesem Grund noch mal kräftig Mut gemacht: „Ich glaube an Wunder, überall an unserer Inselküste gibt es Wellenbrecher“, sagte „Kaufi“ verschmitzt. Und mit deren Hilfe könne es vielleicht gelingen, die erwarteten Angriffswogen der Gäste zu entschärfen und selbst offensive Nadelstiche zu setzen. Doch diese Wünsche gingen nur phasenweise in Erfüllung. Im stimmungsvollen Ahlbecker Handballtempel, in dem laut Gäste-Coach Nicolaj Andersson jeder Handballer einfach nur gerne spielt, setzte sich der Tabellenführer – begleitet von rund 100 eigenen Fans – mit 33:25 (Halbzeit 17:14) klar durch.
Partie bot alles, was zum modernen Handball gehört
Vor pickepackevollen Rängen in der „Pommernhölle“ zeigte sich der Spitzenreiter vom Anpfiff weg entschlossen, Tempo aufzunehmen und die Partie zu diktieren. In der Folge entwickelte sich ein schnelles und mitunter sogar spannendes Match, in dem der HSV nach dem Seitenwechsel bis auf zwei Tore herankam und kurze Zeit an einer Sensation schnupperte. Aber mehr ließen die Gäste nicht zu. „Das ist schon eine starke Mannschaft, die zu Recht Spitzenreiter ist“, fand Usedoms Handball-Legende Peter Höhne. Umjubelt wurde alles, was zu modernem Handball gehört: tolle Tore, hohes Tempo, klasse Paraden der Keeper und enormer Einsatz.
Rostocks Coach konstatierte später in der Pressekonferenz, dass der Abstand zwischen beiden Teams gar nicht so groß sei, wie das Ergebnis und die Tabelle es suggerieren. „Warten wir mal noch einige Spiele ab, dann seid ihr nicht mehr dort, wo ihr jetzt steht.“
Ein respektvoller Satz, der den HSVern wie Öl herunterging. Deren Trainer Uwe Kalski attestierte seinem Team, in der Chancenwertung gegen einen starken Widerpart ordentlich zugelegt zu haben. Dies und der unermüdliche Einsatz würden sich auch bald in Punkten und Siegen auszahlen. Dafür gab es lauten, Mut machenden Beifall im VIP-Bereich. Man ist auf der Insel gierig nach Erfolg.
Zu den begeisterten Anhängern der Usedomer Sieben gehören seit Kurzem auch die HSV-Fans aus Anklam. „Wir kommen zu jedem Heimspiel und finden die Atmosphäre einfach geil. Unsere Spieler rackern, kämpfen und setzen sich großartig ein, da geht vielleicht sogar noch ein Punkt“, mutmaßten die 18-jährigen Luca, Nico, Johann und Ralph noch beim Pausenbier. Rostocks Club-Chef Tobias Woitendorf sah zu dem Zeitpunkt noch „für jeden unserer Spieler genug Steigerungsmöglichkeiten“ in Halbzeit zwei. Nach dem Schlusspfiff lobte er unter anderem den Litauer Romas Aukstikalnis und Alexander Schütze. Auf Usedomer Seite bestach erneut Benedek Szakaly (9 Tore), unter anderem mit hundertprozentiger Treffsicherheit vom Siebenmeterpunkt (4/4).
Gastgeber sorgten dafür, dass es kein Empor-Spaziergang wurde
Dass die Rostocker diesen Auswärtssieg nicht eben mal im Spaziergang einfahren konnten, verdeutlichte nach dem Abpfiff ihr Jubelkreis um Torhüter Robert Wetzel, der durch etliche Paraden zu bestechen wusste. Bei den Usedomern machte sich vor allem das Fehlen von Stammkeeper Lech Krynski, der am Dienstag an der Hüfte operiert wird, und Abwehrchef Radoslaw Wolski bemerkbar.
Dennoch honorierten die Fans den engagierten und mutigen Auftritt ihrer Mannschaft mit einer nicht nachlassenden Unterstützung von den Rängen. „Wenn du gegen so einen Top-Gegner etwas ziehen willst, dann muss absolut alles stimmen – vom Torwart bis zur Trefferquote. Das war nicht durchgängig so und der Gegner hatte auch keinen schwachen Tag erwischt“, fand HSV-Sportwart Jens Teetzen, der in Ahlbeck noch aktiv mit Handball-Größen wie Rabenhorst, Schmidt und Müller erfolgreich gespielt hat.
Bemerkenswert: Die Wuppertaler Schiris Christian Schneider und Sascha Siebert lieferten eine fehlerfreie Leistung ab, was ihnen jedoch von den kampfstark, aber stets fair agierenden Teams auch leicht gemacht wurde.
Steffen Adler