Dramatischer hätten die Oberliga-Handballer des HSV Insel Usedom im MV-Derby gegen den Stralsunder HV nicht verlieren können. Den Siegtreffer zum 27:26 erzielte Kreisläufer Ole Prüter mit der Schlusssirene. Er brachte damit die fast ausverkaufte Vogelsanghalle zum Beben und stürzte die Gäste von der Insel ins Tal der Fassungslosigkeit.Das Spitzenspiel Erster gegen Zweiter hielt alles, was es versprochen hatte. Vom Anpfiff weg spielten beide Teams mit hohem Tempo und hartem Körpereinsatz. Schon beim ersten Angriff des SHV brachte Gordon Wicht den heranstürmenden Florian Zemlin zu Boden. Während SHV-Trainer Steffen Fischer lautstarke die Rote Karte forderte, ging das Spiel in rasantem Tempo weiter. Nach elf Minuten konnten die Hausherren sich mit vier Toren absetzen. „Wir hatten einen Plan. Wenn wir den umgesetzt haben, waren wir erfolgreich. Aber irgendwie sind wir zweimal ins Straucheln gekommen“, benannte Fischer die Phase, in der die Gäste zum 10:10 ausgleichen konnten.
HSV-Trainer Nico Heidenreich sah kurz darauf die erste Führung seiner Usedomer: „Wir kommen zweimal gut zurück – das war eine enorme Kraftleistung. Ich ziehe den Hut vor dem Kampf meiner Mannschaft.“
Usedom machte nach dem Ausgleich weniger Fehler und unterband damit die Tempogegenstöße über Linksaußen Benjamin Hinz. Erst in der letzten Sekunde der ersten Hälfte konnte Zemlin für die Gastgeber zum 15:15 ausgleichen.
Die zweite Halbzeit ähnelte vom Verlauf stark den ersten 30 Minuten. Die Hausherrren kamen hellwach aus der Kabine, Torhüter Tobias Malitz hatte seine stärkste Phase, und vorn traf Hinz im Minutentakt. Schnell waren die Stralsunder auf fünf Tore weggezogen. Beide Trainer sahen diese Phase als die entscheidende an. „Der Sieg ist aufgrund des starken Starts in die zweite Halbzeit verdient“, anerkannte Heidenreich die Leistung des Gegners, und auch Fischer lobte sein Team: „Wenn wir konzentriert gespielt haben, waren wir besser!“
So kamen die Gäste noch einmal zurück. Während der SHV im Positionsangriff falsche Entscheidungen traf und sich keine guten Wurfmöglichkeiten mehr erspielte, kämpfte sich der HSV heran und glich eine Minute vor Schluss aus. Dabei ließen sich die Insulaner auch nicht von der Roten Karte gegen Spielmacher Patrick Glende oder der „kochenden“ Halle aus der Ruhe bringen. Fischer, der mittlerweile selbst auf dem Feld stand, übte Selbstkritik: „Wir spielen nicht gut, und dann komme ich rein und mache es auch nicht besser.“ Doch dann der letzte Angriff: Die Uhr läuft runter, der SHV hält den Ball lange, um den Gästen nicht die Chance zu geben, noch einmal zurückzuschlagen. Anspiel an den Kreis, Prüter dreht sich und überwindet HSV-Keeper Lech Krynski mit dem Schlusspfiff. Kurz darauf wird er von seinen Teamkollegen in einer Jubeltraube begraben – die Halle steht Kopf.
Das erste Lob von SHV-Coach Fischer ging nach der Partie an die Zuschauer: „Ein Riesendank an alle Fans. Nicht nur von mir, sondern auch von den Spielern. Die haben das heute gebraucht.“ Gästetrainer Heidenreich gratulierte dem Gegner und konnte eine halbe Stunde nach dem Spiel etwas Positives in der Niederlage finden: „Wenn wir hier keine Punkte mitnehmen, dann wenigstens den Respekt. Der ist manchmal wichtiger!“
Niklas Kunkel