Der HSV Insel Usedom hat die Baltic Handballakademie ins Leben gerufen. Talente aus der Region sollen im Ostseebad Ahlbeck ausgebildet werden und die Männerhandballer mittelfristig in der dritten Liga etablieren.

Nach außen gibt sich Felix Döhr gelassen. In seinem Innern dürfte es aber seit Tagen mächtig kribbeln. Denn der 15-Jährige hat entschieden, Vorreiter beim wohl künftig spannendsten Handball-Projekt von Mecklenburg-Vorpommern zu werden. Er will Leistungssportler sein. Dafür wagt er den Schritt von seiner Heimat, dem HSV Grimmen, an die frisch ins Leben gerufene Baltic Handballakademie des HSV Insel Usedom. Die Ahlbecker haben Großes vor, um den Handball in Vorpommern auf eine neue Stufe zu heben. „Sie haben mir die Schule, die Wohnung, die Halle gezeigt – ich war begeistert“, sagt Döhr unaufgeregt.

Uwe Kalski hingegen verbirgt seinen Enthusiasmus nicht. Der Trainer der Männermannschaft des HSV Insel Usedom erzählt vom Vorhaben Handballakademie ohne Punkt und Komma. „Ich bin infiziert von dem Konzept! Wir wollen Jungs aus Vorpommern leistungsorientiert ausbilden“, sagt Kalski. Hintergedanke: Er will den HSV, momentan Viertligist, langfristig in der dritten Liga etablieren – mit Spielern aus der Region. Felix Döhr ist der Erste, der sich diesem Vorhaben anschließt.

Weitere Talente werden folgen. Kalski und seine Mitstreiter haben etliche Gespräche geführt und einige Kooperationen mit Vereinen aus dem Osten von MV geschlossen. Grimmen, Greifswald, Loitz, Demmin, Anklam, Ueckermünde, selbst Swinemünde sollen vom neu entfachten Handballfieber auf Usedom angesteckt werden und auch profitieren. Kalski stellt sich vor, die besten Talente aus den Vereinen in Ahlbeck zu fördern. Sollten sie als fertige Männerspieler dem Leistungssport auf der Insel adé sagen, kehren sie gut ausgebildet – im besten Fall – zum Heimatverein zurück. Lehrgänge und logistische Unterstützung könnten ebenso Kooperationsgegenstand sein. „Der Austausch ist uns ganz wichtig. Wir wollen der Region auch etwas zurückgeben“, sagt Kalski.

Usedom fordert Einstufung als Trainingsstützpunkt
Ein Handball-Leistungszentrum auf Usedom. In Rostock, Schwerin und Neubrandenburg sind die Stützpunkte seit Jahren etabliert. Neu ist, dass der HSV eine Nachwuchsakademie ohne Sportschule und Internat aufbauen will. Projektpartner ist die Europäische Gesamtschule Insel Usedom. Kalski, der dort Lehrer ist, konnte die Schulleitung von dem Handballkonzept überzeugen und wird fortan Frühtraining für die Talente anbieten. Diese werden mit einem Leistungsstipendium ausgestattet.

Im Nachwuchs gibt es seit Jahren mit der SG Vorpommern einen Zusammenschluss zwischen Vereinen. Kalski denkt größer. Er entwickelt ein Konzept weiter, dass Jens-Peter Teetzen vor einigen Jahren etablierte.

Um formal mit den anderen Trainingsstützpunkten von MV gleichgestellt zu werden, hat der HSV vergangene Woche einen Antrag beim Verband HVMV eingereicht. Dieser muss im Rahmen des neuen Olympia-Zyklus und auf Basis seiner Nachwuchsleistungskonzeption bis Ende März prüfen, ob Usedom künftig seinen Talenten das Label „Leistungshandballer“ aufstempeln darf.

Grimmener Talent zieht in Handball-WG in Strandnähe
Für Felix Döhr ist das reizvoll. In Ahlbeck wird er nach den Sommerferien noch einmal die 10. Klasse besuchen, um dort sein Abitur anzustreben. Parallel will er an seinem sportlichen Traum arbeiten. „Erste, zweite, dritte Liga. Ein Spiel im Fernsehen zu absolvieren wäre cool“, sagt der Jugendliche, dessen Vorbild Uwe Gensheimer zu den gefürchtetsten Linksaußen der Welt gehört. Positionstechnisch hat sich Döhr seit seinen Anfängen beim HSV Grimmen immer weiter von seinem Idol entfernt.

Seit vergangenem Sommer läuft er als halbrechter oder halblinker Rückraumspieler mit Zweitspielrecht für Grimmen und Usedom auf. Jeden Freitag fahren er und Teamkollege Paul Griwahn auf die Insel, um dort zu trainieren. Am Wochenende ringen sie mit der Grimmener B-Jugend in der MV-Liga und auf Usedom in Deutschlands höchster Spielklasse um Meisterschaftspunkte. „Wir waren gleichauf mit den Füchsen Berlin und haben gegen Empor Rostock gewonnen. Das war beeindruckend“, erzählt Döhr. Ab dem 1. Juli ist die aufwendige Fahrerei vorbei. Das Talent zieht auf die Insel. Die Handball-WG in Strandnähe hat ein Gönner des HSV gestellt.

HSV legt Wert auf berufliche Ausbildung
„Dort werden die Jungs schulisch unterstützt. Es bringt nichts, wenn wir Spieler mit Zweit- und Drittligapotenzial haben, die aber ihren Schulabschluss nicht schaffen“, sagt Uwe Kalski. Die HSV-Verantwortlichen wollen auch bei der weiteren Berufssuche helfen. Praktikums- und Ausbildungsplätze seien vorhanden. Mit einer Potsdamer Hochschule gibt es eine Übereinkunft für ein Sportmanagement-Studium. Jetzt soll die Universität Greifswald mit ins Boot. „Wir wollen die jungen Menschen hier behalten. Das ist fast ein politischer Auftrag“, sagt Kalski.

Der 32-Jährige und sein Team säen viel. Erste zarte Früchte reifen bereits. Im kommenden HSV-Kader stehen sechs bis acht 17- bis 20-Jährige aus der eigenen Jugend. „Zu meiner Jugend gab es in Vorpommern immer Handball-Vorbilder. Das wollen wir wieder schaffen. Wir wollen richtige Handballtypen ausbilden“, sagt Kalski.

„Wir müssen Gas geben, um Talente im Land zu halten“
Das Engagement auf Usedom erntet viel Lob. Stefan Güter, Geschäftsführer des HC Empor Rostock, über die Usedomer Pläne: „Das ist eine super Sache. Ich freue mich über jeden Verein, in dem leistungssportlicher Handball gespielt wird.“ Mecklenburg-Vorpommern sei groß genug für drei oder vier Stützpunkte. „Konkurrenz belebt das Geschäft. Umso mehr Jugendliche gut ausgebildet werden, umso mehr Qualität haben wir im Land und umso mehr Zweit- und Drittligisten wird es hier geben – vielleicht auch irgendwann mal wieder einen Erstligisten.“

Ähnlich äußert sich Jörg Dombdera, Geschäftsführer des HVMV: „Je mehr leistungsorientierte Standorte es gibt, umso besser. Auf der Insel wird seit Jahren sehr gute Arbeit geleistet. Dort gibt es immer gute Perspektiven und eine gute Trainersituation. Ich sehe viele Sachen, die schon bekannt sind, vom Profil aber noch einmal geschärft wurden. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Was die Kooperationen bringen, wird man sehen.“

Tristan Staat, Jugendkoordinator des HC Empor, ist sich mit Uwe Kalski einig: „Das ist eine gute Geschichte für den Handball. Wir müssen gemeinsam Gas geben im Land, um die Talente hier zu halten.“ Genau das haben Kalski und seine Mitstreiter vor. Bei ihm kribbelt es schon. Sicher auch beim Felix Döhr.